Donnerstag, 10. Februar 2011

Quotenjan

Die Medien haben nach Sarrazin und Wikileaks ein neues Ferkel zum Schlachten gefunden, namentlich die Frauenquote. Als überzeugter Vegetarier sehe ich das natürlich kritisch, öffentliches Verwursten von komplexen Lebewesen hat schließlich eine gewisse Schizophrenie, und doch kann ich mich nicht ganz mit PETA in eine Reihe stellen und die ganze Zeit erbost Plakate hochhalten. Was ist geschehen?

Richtig ist, dass Handlungsbedarf besteht. Dokumentierte Fälle von marktökonomischem Irrsinn, schlechter qualifizierte Personen mit Posten zu versehen, nur weil sie "normalerweise" den penetrativen Part im Verkehr übernehmen würden, zeigen von einem mangelnden Verständnis einfachster kapitalistischer Grundprinzipien: Auf dem Papier entspricht Effizienz durch Leistungsfähigkeit Geld. Besser qualifizierte Arbeitskräfte machen noch mehr Geld. Da kann mann sich es auch mal leisten, im Falle des Falles besser qualifizierte Frauen auch genauso zu bezahlen wie ihre phallusausgestatteten Kollegen. Gelinde gesagt behindern aktuell patriarchalische und damit sexistische Strukturen eine konsequente Orientierung der Unternehmen an einem zentralen kapitalistischen Element.. Wären mehr Frauen in den öffentlichkeitswirksamen Aufsichtsräten, könnte dies durchaus als ein Signal verstanden werden. Ein für viele anscheinend immer noch befremdlichen Gedanke, sich vor einer Frau die nicht Mama heißt, rechtfertigen zu müssen. Wollen die Unternehmen wieder effizienten Kapitalismus betreiben, ist ein Umdenken in dem Umgang mit hochqualifizierten Arbeitskräften (welche zufälligerweise heute mehrheitlich in die Kategorie "Frau" hineinfallen) notwendig. Und ganz davon abgesehen hätte man die Realisierung elementarer Menschenrechte.

Auf der Strecke in der Diskussion um Frauenquoten (daher rede ich jetzt nicht nur über die Quoten in Aufsichtsräten, die wie oben geschrieben durchaus ihre Relevanz haben können) bleiben allerdings folgende Punkte, und diese stoßen mir unangenehm auf.

-> Frauenquoten sind mit der richtigen Auslegung von Artikel 3 des Grundgesetzes sowohl als verfassungskonform wie auch ;-widrig einstufbar. Machen wir uns nichts vor: Positive Diskriminierung wird durch ein schönes Adjektiv nicht weniger zu einer Diskriminierung. Wo liegt das Recht auf Diskriminierung, welches die Frauenquote bedient?

-> Angesichts des heftigen Widerstandes und der Mentalität der Bürger kann es zu unangenehmen Klagen von zurückgewiesenen Männern kommen, um nur ein Beispiel zu nennen. Dies verdeutlicht ein zentrales Problem: Würde die Frauenquote zentral vom Staat verordnet, wird erst nachträglich um die Akzeptanz der Bevölkerung gebuhlt. Wollen wir ein konstruktives Klima bei diesem Thema, braucht es auch demokratische Elemente in der Gesetzesentwicklung und damit zwingenderweise auch eine Einbeziehung derjenigen Bürger, welche von einer Frauenquote nicht profitieren würden. Darauf verzichten meines Wissens nach eigentlich so ziemlich die absolute Mehrheit aller Akteure auf dem politischen Parkett. Wieso tun sie das?

-> Die Frage nach Macht und Gewalt wird durch die Quote nicht angetastet. Dies erfolgt in mehreren Richtungen:

a) Beschließt ein immer noch "unausgeglichen" besetztes Parlament die Quote, werden patriarchalische Machtverhältnisse aktualisiert, den Frauen von Männern "gestattet", zumindest in Aufsichtsräten keine strukturelle Diskriminierung mehr zu erfahren. Selbst eine Frauenquote in Fraktionen wäre diesem Kalkül unterworfen, obgleich sie zum strukturellen Abbau beitragen würde. Aber: Wollen wir nach dem derzeitigen Stand Gleichbehandlung von Mann und Frau, so sind wir von der Akzeptanz der Quote bei Männern, und nur bei Männern alleine (immerhin 67.1% des Bundestages) abhängig. Das gilt ebenso für Vereine und Organisationen mit einem höheren entscheidungsberechtigten Männeranteil. Ein "ausgeglichener" Anteil innerhalb des Verbandes könnte einige Personalquoten schlichtweg obsolet machen. Hier wären beispielsweise Ideen zur Rekrutierung von Mitgliedern der Kategorie "Frau" zu thematisieren.

b) Wer verfügt über die Deutungshoheit zu bestimmen, bei welchem Menschen es sich um einen "Mann" oder eine "Frau" handelt? Im Namen der Gleichberechtigung und vor allem -behandlung rekapituliert die Quote unreflektiert heterosexistische Geschlechtsdispositionen und autoritär anmutende Vorstellungen davon, "wie es zu sein habe". Die Einteilung erfolgt nach nicht näher definierten Merkmalen, deren Deutung durch die Gesellschaft sich das Individuum zu beugen hat. Eine Frauenquote müsse sich an dem benachteiligten Gender orientieren und benötigt somit gleichzeitig die gesellschaftliche Definition und den Gültigkeitsrahmen der Genderkategorien, ohne welche sie keine Relevanz hätte. Einem gesellschaftlichen Geschlecht ein bestimmtes Mindestmaß an Repräsentation zuzusprechen, ignoriert die Fragen nach und die Reflexion von Machtinteressen. Zu Klären ist die Frage, wieso impliziert allen Menschen, die weder von der inoffiziellen 98+ Männerquote, noch einer offiziellen 40+ Frauenquote betroffen sind, ein Repräsentationsanspruch in Aufsichtsräten verwehrt wird. Ein Ansatz wäre, das Konzept eines Repräsentationsanspruches selbst zu hinterfragen, genauso wie es mit den verwendeten Definitionsrahmen geschehen muss. Zur Klarstellung: Ich orienitere mich in diesem Text der Einfachheit halber daran, was "gemeinhin" als "Frau" und "Mann" wahrgenommen wird.

c) Die Quote gilt gemeinhin als temporäres Instrument zur Frauenförderung. Wer bestimmt am Ende, wann sie nicht mehr zu gelten habe? Und wie sind dort die Machtinteressen zu betrachten?
d) Wieso herrscht gleichzeitig die Vorstellung, Frauen in Aufsichtsräten würden automatisch frauenfreundlichere Politik machen? Eine bestimmte Handlung als einem Geschlecht inhärent zu definieren ohne dies zumindest dem Versuch eines naturwissenschaftliuchen Beleges nachzustellen (Hormone, ich gucke auf euch.), ist banaler Sexismus. Empirische Gegenbeispiele dazu finden sich zuhauf: Aktuell gerade im Kanzleramt und in Ministersesseln. Wie eine Karikatur von Harm Bengen wunderbar illustrierte, wird es den Arbeitnehmerinnen ziemlich egal sein, ob sie nun schlecht von einem Mann oder einer Frau bezahlt werden. Frauen an der Spitze bedeuten zu keinem Zeitpunkt eine zwingend frauenfreundlichere Arbeitssituation. Dies wären lediglich kosmetische Veränderung im Aufsichtsrat ohne Relevanz für die tatsächlichen gesellschaftlichen Problematiken, und würde political correctness vor akute Lösungsansätze stellen.

e) Zumindest in der ersten Zeit wird die Quote vor allen den Frauen nützen, welche sich in der männlich-dominierten (Arbeits-)Welt mit männlichem Verhalten durchschlagen konnten, oder anders gesagt: Sie nützt denen, denen sie eigentlich helfen soll, nur langsam, wenn überhaupt. Merkel, von der Leyen und Schröder haben keine Quote gebraucht. Dies muss kein Zeichen von Emanzipation sein, und das ist es auch nicht. Haben wir jedoch eine "männlich" agierende Frau und eine "weiblich" agierende Frau in Konkurrenz auf den gleichen Frauenplatz, ist schnell abzusehen wer hineinquotiert wird - Unabhängig davon, wie die Konstellationen im Aufsichtsrat nun aussehen. Die durch die Adaption von unter Männern toleriertes Verhalten entstehende Macht kann sich auch mithilfe der Frauenquote nicht zerstreuen - Und wieso auch, wenn Frau Erfolg hat und ihren Job bekommt, wird sie die Situation von ihr unterstellten Arbeitnehmerinnen periphär tangieren.

Daher sind meine zentralen Fragen an die Quote:
-> Wie definiert sie auf wen sie zutreffen soll? Und warum tut sie das?
-> Reproduziert sie patriarchalie Machtverhältnisse? Begünstigt sie die Reproduktion? Wie effektiv ist sie wirklich bei der Erlangung von Gleichbehandlung?
-> Wie wird für demokratischen Rückhalt gesorgt?
-> Welchen Platz wird denjenigen zugesprochen, die sich weder in der von Männern dominierten Arbeitswelt noch in Quoten für Frauen wiederfinden?
-> Ab wann nützt die Frauenquote der Gesellschaft und der Emanzipation? Wie lange werden "Machofrauen" bevorzugt?

Und nur der Vollständigkeit halber: Ich bin für Gleichbehandlung.

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